Rituale bitte nicht kopieren!

Warum man Rituale anderer Kulturen nicht einfach kopiert

Rituale anderer Kulturen umgibt oft eine gewisse Exotik und Dramatik. Eindrücke von Hollywood-Spielfilmen oder verstaubte Museen haben ihre Spuren hinterlassen… Gleichzeitig üben die Farbenpracht, die feierliche Stimmung oder die besonderen Ritualgegenstände eine Anziehung aus. Manchmal entsteht auch der Eindruck, dass unsere moderne Gesellschaft keine Rituale mehr kennt, sie unwiederbringlich verloren sind oder keinen Sinn mehr haben, mag der Reiz besonders hoch sein. Was wäre dann naheliegender als sich woanders umzusehen? 

Es finden sich immer mehr Menschen, die sich auch im Alltag von anderen Glaubensvorstellungen inspirieren und leiten lassen, weil dies ihren Auffassungen und Lebenshaltungen mehr entspricht. Als Ethnologin kann ich das Interesse an anderen Kulturen gut nachvollziehen, gleichzeitig ist eine Vereinnahmung und Aneignung von Ritualen wirklich kritisch. Von den betroffenen, indigenen Gruppen wird das oft als respektlos angesehen, wenn ihre Rituale von außenstehenden Menschen „entfremdet“ und gebraucht werden. Was durchaus verständlich ist, da sie quasi „zweckentfremdet“ werden. Beispielsweise sagt Wilmer Mesteth, eine spirituelle Autorität der Lakotas, dazu: “We are the ones who were given these ceremonies so that the people would remain together and strong. We were told to take care of these ceremonies so that our children and their children would have future.“
Indigene Kulturen sind kein Selbstbedienungsladen, auch wenn viele unheilvolle Jahre des Kolonialismus mit Kontinuitäten bis heute, weißen Menschen das Gefühl vermitteln, das Recht dazu zu haben. Viele europäische Museen stellen sich beispielsweise immer noch nicht ihrer Verantwortung, geraubte Kunstgüter in Besitz zu haben.

Bei freien Zeremonien stehen Deine/Eure persönlichen Bedeutungen und Vorstellungen im Mittelpunkt und darum sollte es ja vor allem gehen: um DICH bzw. EUCH! Deine Lebensgeschichte mit all den Dir eigenen Erfahrungen, Deinem inneren Kompass von Richtig und Falsch, Deinen religiösen, spirituellen oder atheistischen Vorstellungen, machen Dich aus! Deshalb macht es Sinn genau aus dieser „Fundgrube“ zu schöpfen. In einem kreativen Prozess leite ich Dich an, die Schätze in Deiner „Fundgrube“ zu heben. Sie sind die Elemente, die für Dein Ritual bestimmt sind.  Ronald L. Grimes ist ein renommierter Ritualexperte und warnt davor, Elemente in Ritualen aufzugreifen, die man nicht gänzlich versteht. Viele Schichten der Bedeutung bleiben einem unzugänglich, dass es sich nicht richtig anfühlen kann. Wenn man am Ende ein Ritual hat, dass man nicht wie ein Schwamm aufsaugt, sondern stellenweise an einem abperlt, dann bringt man sich um die Wirkungen und letztlich auch um den eigentlichen Sinn und Zweck eines Rituals! Das wäre sehr schade und auch ein Verlust, denn gerade Übergangsritualen wiederholt man in der Form nicht wieder. Man begrüßt sein Kind nur einmal ins Leben, heiratet den geliebten Mann oder die geliebte Frau nur einmal zum ersten Mal und auch die Abschiedsfeier eines geliebten Menschen ist einmalig.

Ein Ritual wird also umso wirkmächtiger, wenn man sich mit dessen Bedeutung und Ausdrucksweise, wirklich bis ins Innerste hinein, identifizieren kann. Und nicht etwa nur, weil es beispielsweise schön aussieht. Ein Ritual zu gestalten, wo man aus dem eigenen Erfahrungsschatz statt aus fremden Formeln schöpft, wird sich echt und stimmig anfühlen. Es hat die Kraft, die Veränderung, die der Übergang mit sich bringen mag, in einem tiefer zu verankern und für das Neue zu bestärken. Vielmehr noch, es trägt das Potential in sich, die Zukunft zu verändern. Davon bin ich zutiefst überzeugt und schaffe in einem kreativen Prozess, neue Formen von Ritualen, damit sie wirklich symbolisch zelebrieren, was Dir/Euch am Herzen liegt. An diesem spannenden Schaffungsprozess bist Du natürlich eng beteiligt und das Ritual entsteht quasi vom Innen nach Außen.

Falls Du dennoch den Gedanken hast, ein Ritual einer anderen Kultur zu entlehnen, würden wir im Vorgespräch sichergehen, wie sehr das „Andere“ wirklich „Deins“ ist. Passt die Eins-zu-Eins-Übertragung wirklich zur eigenen Persönlichkeit? Entsprechen die dort vertretenen Normen und Werte tatsächlich zu den eigenen Überzeugungen? Falls Du das alles aus vollem Herzen mit „Ja“ beantworten kannst, dann ist der nächste Schritt zu überlegen, wie Gäste an die Bedeutung des Rituals herangeführt werden. Wir bauen eine Brücke von Erklärungen, damit sie wirklich bezeugen und teilnehmen und so mit ihrer Präsenz das Ritual verstärken können.

 

Alles Liebe

Simone